Grob geplant war eine Woche NOK-Route. Daraus wurden sechs wunderbare Spätsommertage mit 410 Fahrrad-Kilometern fast kreuz und quer durch das südliche Schleswig-Holstein. Dabei haben wir Elbe, Nord-Ostsee-Kanal (NOK), Ostseeküste und Holsteinische Schweiz gesehen und uns prächtig amüsiert.
Das Buch eines Fahrradfreaks mit seiner Beschreibung der NOK-Route hatte uns neugierig gemacht. Riesige Containerfrachter und schneeweiße Traumschiffe mitten im Holsteiner Marschenland, das wollten wir uns auch ansehen. Im Internet und auch in Buchform fanden wir rasch eine Fülle von Informationen über den Kanal und die insgesamt 325 km lange ausgeschilderte NOK-Route. Das schien uns genau richtig für eine Woche Urlaub, zumal das Wetter einem Anfang September ja schon mal einen Streich spielen kann.
Vorbereitungen
NOK-Route und Ostseeküsten-Radweg sind im Internet vielfältig beschrieben. Mit den Downloads der GPS-Daten habe ich eine eigene Karte bei google-maps erstellt (siehe hier), die auch als Archiv für evtl. Übernachtungsmöglichkeiten diente. Unsere Freunde hatten sich die bikeline-Tourenbücher des Esterbauer-Verlags (NOK-Route und Ostsee-Radweg 1) besorgt. Damit waren wir gut gerüstet, später haben wir für die Holsteinische Schweiz noch eine Fahrradkarte besorgt.
1. Tag Moorexpress OHZ-Stade und dann Stade-Wewelsfleth (51 km)
Stimmungsvoller Urlaubsbeginn mit der Traditionsbahn. Achtung: der Moorexpress verkehrt nur an Wochenenden von Mai bis Oktober, insbesondere der Fahrradtransport sollte reserviert werden. Nach normalerweise 2 Std. gemächlicher Fahrt mit Halt an jeder 2. Milchkanne ist man von OHZ in Stade, ein Erwachsener mit Fahrrad zahlt dafür € 13.-.
Wir haben in Stade den Elberadweg gewählt, zunächst linkselbisch bis zur Fähre Wischhaven-Glückstadt. Für € 3.50 pro Erw. mit Fahrrad nahm sie uns mit nach Glückstadt, etwas außerhalb übernachteten wir im Landgasthof Lüders in Wewelsfleth.
2. Tag Wewelsfleth-Albersdorf 70 km
Von Wewelsfleth zur NOK-Schleuse in Brunsbüttel sind es gut 20 km, dort haben wir bei unserer ersten Überfahrt auf einer Kanalfähre einen guten Überblick über die Schleusenanlage gewinnen können. Alle 14 NOK-Fähren sind dank kaiserlicher Vorordnung Wilhelms I. aus dem Eröffnungsjahr 1895 bis heute kostenfrei.
Der Nord-Ostsee-Kanal mit seinen 98,6 km wäre bei guter Kondition auch mit dem Fahrrad an einem Tag zu bewältigen. Die für Radler ausgeschilderte NOK-Route hingegen ist in Folge vieler Schleifen 325 km lang und verläuft nur teilweise auf dem fast überall sehr gut befahrbaren Wirtschaftsweg direkt am Kanal. Ob man all diese Schleifen „abradeln“ will, bleibt jedem selbst überlassen, die Route ist an vielen Stellen leicht zu modifizieren. Wir haben die Abwechslung am ersten Tag sehr genossen und nichts ausgelassen. Etwas abseits des Kanals bieten sich häufig interessante Ausblicke, wenn sich die Container-Riesen scheinbar direkt hinter der Kuhweide durch das Marschland schieben.
Abends schafften wir es gut bis Albersdorf, wo wir sehr gut im Hotel Bess unterkamen. Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis auf unserer Tour mit leckerem Frühstück, genau wie von Freunden empfohlen.
3. Tag Albersdorf-Rendsburg 76 km
Am Montag wollten wir gerne Rendsburg erreichen. Einerseits um Freunde zu treffen, andererseits um der MS Deutschland aufzulauern, die abends gegen 21.00 Uhr in Kiel eingeschleust werden sollte. Apropos: ship-spotting ist offenbar neuer Volkssport in Deutschland … und nicht nur da. Uns begegneten mehrmals ganze Gruppen Kamera-behängter Schaulustiger. Und mit marinetraffic und diversen anderen Webseiten (z. B. Traumschiffe im NOK) lässt sich heute auch recht bequem lauern.
Der NOK – international Kiel Canal – ist mit ca. 30.000 Schiffspassagen jährlich übrigens die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt. Die Schiffe dürfen max. 235 m lang und 32,5 m breit sein, um ihn passieren zu dürfen. Der max. Tiefgang beträgt 9,5 m und die max. Höhe 40 m. Für größere Schiffe ab ca. 50 m Länge besteht Lotsenpflicht, ab ca. 100 m Länge müssen zusätzlich sog. Kanalsteuerer aufgenommen werden, die über besondere Erfahrung bei Schiffsbegegnungen und ufernaher Fahrt verfügen. Lotsen und Steuerer steigen in den Schleusen zu bzw. aus und werden in Kanalmitte bei der Lotsenstation Rüsterbergen abgelöst.
In Rendsburg hätten wir eigentlich gerne im Kanal-Café übernachtet, dessen wenige Zimmer waren aber belegt. Wir landeten im Hotel ConventGarten, das ebenso schön direkt am Kanal liegt und schöne Zimmer sowie angenehmen Empfang bot, für unseren Geschmack in dieser Preisklasse aber etwas weniger Lärm am frühen Morgen vor den Zimmerfenstern und etwas freundlicheren Service beim Frühstück vertragen würde.
4. Tag Rendsburg-Kiel 61 km
Von Rendsburg ist es nicht mehr weit nach Kiel. Nach nunmehr zwei abwechslungsreichen Tagen am Kanal mit vielen Schlenkern drumherum hatten wir uns ein wenig satt gesehen. Gedanklich geriet die Ostsee zunehmend in unser Visier und wir beschlossen, zwei große Schlenker der NOK-Route abzuklemmen. Also zügig rein nach Kiel, im Angesicht der Schleuse Holtenau per Fähre ein vermeintlich letztes Mal über den NOK an dessen Nordufer gewechselt und im Schiffercafé am Thiessenkai die Übernachtungslogistik geklärt.
Eigentlich wollten wir am Westufer der Kieler Förde bleiben, um am nächsten Morgen per Fördedampfer nach Laboe überzusetzen. Freie Zimmer gab’s aber nur in der City und so verschlug es uns ins Rotlichtviertel in das Hotel Flämischer Hof. Ganz anders, als vom Straßenbild und der Großbaustelle gegenüber zu erwarten war, nächtigten wir dort ausgezeichnet und wurden freundlichst bedient. So lernten wir am Abend auch noch das scheinbare „In-Viertel“ Kiels an der Holtenauer Straße kennen. Dort gab’s im El Meson das leckerste Essen unserer Tour.
5. Tag Kiel-Malente 77 km
Nach dem Frühstück mit dem Fördedampfer nach Möltenort, zweiter Milchkaffee des Tages im fast authentisch erhaltenen „old school“-Ostseebad Laboe.
Von dort folgten wir dem Ostseeküsten-Radweg bis nach Hohwacht. Dieser mir bislang unbekannte Abschnitt der Schleswig-Holsteiner Ostseeküste entpuppte sich bei Rückenwind als ausgesprochen attraktiver Landstrich weitgehend ohne schwerwiegende Architektursünden.
Von Hohwacht schlugen wir uns über diverse kleinere Radwege nach Süden zum Kellersee durch, an dessen Nordufer dann nach Malente. Dort nächtigten wir am Ufer des Dieksees im Precise Dieksee. Vierte Etage mit defektem Fahrstuhl nach 77 Fahrrad-Kilometern, von denen die letzten mitten durch die Holsteinische Schweiz (!) führten. Das folgende Abendessen im benachbarten Bootshaus am Dieksee war folglich mehr als wohlverdient und erwies sich hinsichtlich Wohlgeschmack und Servicequalität als starke Konkurrenz zum Kieler El Meson.
6. Tag Malente-Lübeck 72 km, dann DB Lübeck-OHZ
Für den sechsten und wie sich erst später herausstellte letzten Tag unserer Tour hatten wir uns als grobes Ziel Lübeck vorgenommen. Alle zu Rate gezogenen Wetter-Apps sagten für den Folgetag kühleres und regnerisches Wetter voraus, so dass Alternativprogramme wie Besichtigungen, Shoppen und Sauna gefragt sein könnten. Noch aber hielt der Spätsommer. Und wir hatten Lust auf nochmal richtig Ostsee. Machten uns also auf über Eutin gen Südosten nach Haffkrug. Dann wieder entlang des Ostseeküsten-Radwegs über Scharbeutz, Timmendorfer Strand und Niendorf nach Travemünde.
Auf dem Weg packte uns irgendwie das Heimweh, zumal der folgende Regentag im Teufelsmoor viel wärmer und trockner werden sollte. Warum dann noch in Lübeck übernachten? Nach dem eigentümlichen Bustransfer durch den Travetunnel zur Herreninsel (ist das günstiger als eine gemütliche Fähre, wie wir grad so ausgiebig am NOK genossen hatten?) machten wir noch einen empfehlenswerten aber abenteuerlichen Abstecher entlang des Trave-Südufers, um dann probehalber gleich den Lübecker Bahnhof anzusteuern. Und siehe da: 30 Minuten später saßen wir im RE nach Hamburg, weitere 2 Std. erreichte „unser“ Metronom Bremen. Dank „Quer durch Deutschland-Ticket“ übrigens für insgesamt € 81.- für 4 Erw. plus 4 Fahrräder.