Darauf haben Fahrrad-Interessierte jetzt seit Monaten mit Spannung gewartet: Der Bundesgerichtshof hat gegen eine Mitschuld der Radfahrerin entschieden, die keinen Helm trug. Nach widersprüchlichen Entscheidungen des OLG Schleswig 2013 (siehe hier) und des OLG Celle 2014 (siehe dort) hob der BGH jetzt die Schleswiger Entscheidung auf und sprach der klagenden Radfahrerin vollen Schadenersatz zu.
Ich als zwischenzeitlich überzeugter Helmträger freue mich darüber, weil jede andere Entscheidung meines Erachtens zwar den prozentualen Anteil Helm-tragender Radler, nicht aber deren Anzahl gesteigert hätte. Anders ausgedrückt, und das ist die einschlägige Erfahrung aus Ländern mit Helmpflicht, würde die Helmpflicht viele potenzielle Radler genau davon abhalten. Und das wäre erstens schade und zweitens auch volkswirtschaftlich und volksgesundheitlich kontraproduktiv.
Die Mitteilung der Pressestelle des BGH vom 17.6.14:
„Die Klägerin fuhr im Jahr 2011 mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit auf einer innerstädtischen Straße. Sie trug keinen Fahrradhelm. Am rechten Fahrbahnrand parkte ein PKW. Die Fahrerin des PKW öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Radfahrerin von innen die Fahrertür, so dass die Klägerin nicht mehr ausweichen konnte, gegen die Fahrertür fuhr und zu Boden stürzte. Sie fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu, zu deren Ausmaß das Nichttragen eines Fahrradhelms beigetragen hatte. Die Klägerin nimmt die Pkw-Fahrerin und deren Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch. Das Oberlandesgericht hat der Klägerin ein Mitverschulden von 20 % angelastet, weil sie keinen Schutzhelm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe.
Der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Nichttragen eines Fahrradhelms führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Für Radfahrer ist das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben. Zwar kann einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm. Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichttragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, war nicht zu entscheiden.“