Bis 2004 war das Worpsweder Landhaus noch Vorzeige-Gastronomie der Teufelsmoor-Region, ab Oktober 2014 finden wir hier dann wohl einen Drogeriemarkt der Rossmann-Kette. Ende März 2014 wurde zunächst die Baugenehmigung für den Neubau und kurz darauf die Abbruchgenehmigung für das fast 200 Jahre alte Bestandsgebäude erteilt.
Errichtet 1820 von Seilermeister Kersten, wurde es 1900 zur Blütezeit der Worpsweder Künstlerkolonie von Bäckermeister Siem zum Gasthof umgebaut. Junge Künstler wie Walter Bertelsmann und Ottilie Reyländer sollen ihn als billige Unterkunft mit Mittagstisch geschätzt haben. Von 1947 bis 1961 firmierte das Anwesen als Hotel Stadt Altona, wo u. a. Fritz Mackensen fast täglich zu Mittag gegessen haben soll. Legendär seien die Faschingsfeiern der Künstler gewesen, die zu diesem Anlass Saal, Gaststube und Clubraum mit Papier beklebten und dann bemalten.
In den 1990er-Jahren erwarben sich Klaus & Brigitte Geißler und deren Bruder Harald Leitner als Küchenchef mit dem Landhaus Worpswede überregionale Reputation als qualitativ hochwertige Gastronomie. 13 Punkte von Gault&Millau („sehr gute Küche, die mehr als das Alltägliche bietet“) und fast immer ein volles Haus waren der gerechte Lohn, ohne Reservierung blieb einem das Erlebnis eines Abends „beim Geißler“ oftmals verwehrt. Seinen für uns damals überraschenden Wechsel 2004 „auf Schalke“ hat er schon mit dem schlechten Zustand der Immobilie begründet, seine Modernisierungs- und auch Kaufabsichten seien auf taube Ohren gestoßen. Wirklich schade, wenn man sich mal anschaut, was das Gastronomen-Trio seither aus dem Schloss Berge gemacht hat …
Die hiesigen Nachfolger hatten ein weniger erfolgreichen Lauf: der vorherige Chefkellner Gerold Hailer übernahm das Landhaus zusammen mit Khodr El-Seyed, aber weder sie noch Chefkoch Ralf Kannwischer konnten an die Erfolge ihrer Vorgänger anknüpfen. Vielleicht auch in Folge der am Ort gewachsenen Konkurrenz im gastronomischen „High-End-Segment“ war es bereits nach einem Jahr nie mehr ein Problem, einen freien Tisch zu ergattern. Die zuvor herausragende Gastlichkeit hatte merklich nachgelassen, mehrmals in meine Augen auch die Frische der Zutaten. Weitere zwei Jahre später war vom einstigen Standard gar nichts mehr zu spüren, auch für den Gast taten sich erkennbare Spuren des Verfalls auf. 2011 kam dann die Pleite.
Nach vielen Diskussionen über die Zukunft der Immobilie verkauften die Eigentümer, eine Erbengemeinschaft aus dem Garlstedter Hinrich Strudthoff und seinen beiden Schwestern, das Anwesen an den Rossmann-Konzern. Dieser will in einem dem Vernehmen nach „im Baustil angepassten“ Neubau auf 700 m2 sein Sortiment anbieten und im 1. Stock Lager- und Personalräume vorhalten.
2005 haben wir in diesem Haus gegessen – sehr gut übrigens, 2008 bei einem weiteren Besuch kehrten wir wieder im Worpsweder Landhaus ein. In diesem Jahr 2018 besuchten wir wieder Worpswede und fuhren am Ortseingang auf den Parkplatz und waren ein wenig enttäuscht, auf dem Platz, auf dem früher das Landhaus stand, einen Drogeriemarkt zu sehen. Es ist traurig, wie die Vergangenheit dahinschwindet – unwiederbringlich!