Die Familie ter Berg war Anfang des 20. Jh. eine angesehene Kaufmannsfamilie in Ritterhude. Ihre dortige Existenz lässt sich bis in das Jahr 1730 zurückverfolgen, die Vorfahren sind aus Groningen in Holland zugewandert. Den Namen ter Berg erhielten sie durch die Heirat von Sophie Simons (geb. 06.04.1858 in Ritterhude) und Hartog ter Berg (geb. 05.05.1856 in Noordbroek, Niederlande; gest. 1921 in Ritterhude).
Sophie und Hartog hatten vermutlich 5 Kinder:
- Levie ter Berg (auch Levi; geb. 28.08.1882; am 6.12.1941 von Hamburg nach Riga deportiert) heiratete 1905 in Wilhelmshaven Clara Voß (auch: Vohs, geb. 26.10.1878 in Wilhelmshaven; am 6.12.1941 von Hamburg nach Riga deportiert).
- Rebecka Sara ter Berg (geb. 21.8.1884 in Ritterhude) heiratete Alfred Herz (geb. 23.12.1880 in Aumund) und wurde mit ihm gemeinsam am 18.11.1941 nach Minsk deportiert.
- Hartog Isaak ter Berg (geb. 12.07.1886 in Ritterhude, für tot erklärt) heiratete Paula Wolff (oder Wolf; geb. 02.06.1886 in Bedburg, gest. 28.07.1942 in Minsk). Beide wurden am 18.11.1941 nach Minsk deportiert.
- Elias ter Berg (geb. 28.08.1888 in Ritterhude, gest. 28.07.1942 in Minsk) lebte in Bremen.
- Johanna „Hanna“ Levy (geb. ter Berg, geb. 18.04.1895 in Ritterhude) lebte in Ritterhude. Sie wurde 1942 nach Auschwitz deportiert und für tot erklärt.
Quellen: Genealogy database Levie-Kanes, genealogy.net und Gedenkbuch beim Bundesarchiv
Während Hartog Isaak mit seinem Vater bis zu dessen Tod das Textilgeschäft in Ritterhude führte, ging Levie als junger Mann nach Wilhelmshaven.
Die „Wilhelmshavener“, Levie ter Berg und Familie
Levie heiratete 1905 in Wilhelmshaven die dort geborene Clara Voß (oder Vohs). Sie hatten 4 Töchter:
- Reta ter Berg (geb. 22. September 1906 in Fedderwarden, gest. 22. Oktober 1942 in Riga) lebte in Berlin und wurde von dort deportiert.
- Hanna Geber (geb. ter Berg, geb. 1907, gest. 1954 in Düsseldorf) heiratete 1932 Kurt Geber (geb. 1905 in Erfurt, gest. 1985 in Mülheim).
- Berta Zabner (geb. ter Berg, geb. 23.02.1909 in Sengwarden / Kniphausen), die mit ihrem Mann Moschek Zabner (auch: Josef, geb. 28.10.1899 in Ostrowiec) in Wilhelmshaven lebte. Beide wurden ebenso wie ihre Tochter Hildegard Zabner (auch: Hilde, geb. 19.06.1929 in Rüstringen) 1943 in Auschwitz ermordet.
- Frieda de Taube (geb. ter Berg, geb. 08.11.1912 in Wilhelmshaven, gest. 1943/44 in Auschwitz) wohnte mit ihrem Mann Ernst de Taube (geb. 06.02.1889 in Neustadtgödens, gest. ca. 1943 in Auschwitz) in Wilhelmshaven und Berlin.
Quellen: Genealogy database Levie-Kanes und Gedenkbuch beim Bundesarchiv
Hanna ter Berg hatte als junge Frau mit den jüdischen Traditionen wenig im Sinn. „Sie trug einen Bubikopf, aß heimlich Schweinefleisch und ließ sich 1932 vor ihrer Hochzeit taufen“, erzählte ihre Tochter Ingrid Willing später. Quelle: HAZ 23.02.2008 1932 heiratete Hanna den nicht-jüdischen Kurt Geber (1905-1985), der bei der Kriegsmarine war und Hanna deswegen erst nach ihrer Taufe heiraten konnte. Ingrid, das erste ihrer drei Kinder, war bereits 1930 geboren. 1935 musste Kurt wegen der jüdischen Abstammung seiner Frau den Dienst quittieren und eröffnete einen Fuhrbetrieb, verlor aber bald darauf wegen „jüdischer Versippung“ auch diese Konzession. Hanna starb 1954 „an gebrochenem Herzen“. Ihre Tochter Ingrid Willing besuchte 1971 eine Großtante in einem Altenheim in Tel Aviv Quelle: HAZ 23.02.2008 und wurde Ende des 20. Jh. ein wichtiges Mitglied der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover. Im Jahre 2007 berichtete sie hiesigen Schülern bei einem Besuch in Ritterhude von ihren Großeltern. (Quellen: Heutger N, Sahin AA (Hrsg.): „Die Fülle an Weisheit und Erkenntnis: Festschrift zum 70. Geburtstag“
und Osterholzer Kreisblatt 12.11.2007)
Die „Ritterhuder“, Hartog Isaak ter Berg und Familie
Paula und Hartog Isaak hatten zwei Söhne:
- Erwin ter Berg (vermutlich geb. 09.09.1914 in Bremen, gest. 28.07.1942 in Minsk), lebte in Bremen und wurde am 18.11.1941 nach Minsk deportiert. (Quellen: Genealogy database Levie-Kanes und Gedenkbuch beim Bundesarchiv)
- Adolf ter Berg (geb. 27.06.1917 in Ritterhude, gest. Juni 1974 in Tenby, Wales) gelang die Emigration nach England am 22.09.1938 und nannte sich Adrian ter Berg oder Terberg. (Quelle: pers. Mitteilung seines Sohnes)
Hartog Isaak führte mit seinem Vater das Ritterhuder Textilgeschäft. Im Juni 1920 verhandelten beide mit den örtlichen USPD- und KPD-Vorsitzenden, um Plünderungen im Zuge der sog. Teuerungskrawalle abzuwenden, die an vielen Orten entlang der Unterweser und später ganz Deutschlands ausgebrochen waren. (Quelle: Schröder) Nach dem Tode des Vaters führten Hartog Isaak und seine Frau Paula das elterliche Textilgeschäft weiter, in den 1930er-Jahren wohnten sie in Ritterhude Nr. 302. 1936 wurde Hartog Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Scharmbeck. (Quelle: Obenaus) In der sog. Reichspogromnacht wurde die Familie von SA-Männern unter Sturmhauptführer Fritz-Johann Köster, dem damaligen Bürgermeister von Lesum, verhaftet und mit dessen Wagen zur Erschießung auf freies Feld gebracht. Weder Köster noch sein Truppführer brachten die Erschießung dann aber über sich, sondern ließen die ter Bergs unter Abgabe eines Schreckschusses laufen. (Quelle: Götz Aly „Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Bd. 2“ S. 391)
Irgendwann in den nächsten Monaten musste die Familie in ein sog. Judenhaus in der Humboldtstraße 10 in Bremen ziehen. Mit dieser Adresse jedenfalls wurde der in seiner Abwesenheit von einem Bremer Makler verhandelte Kaufvertrag für das ehemalige Synagogengebäude (Bahnhofstraße 105) in Osterholz-Scharmbeck am 16. September 1939 beurkundet.
Angaben des Offenen Arbeitskreises für Fragen zur jüdischen Geschichte in Osterholz-Scharmbeck (1999):
– ter Berg, Adolf – 1938 nach London ausgewandert
– ter Berg, Isaak – August 1939 nach Bremen umgezogen, weiteres Schicksal unbekannt
– ter Berg, Paula – August 1939 nach Bremen umgezogen, weiteres Schicksal unbekannt
Quelle: Geschichte der Juden in Osterholz-Scharmbeck
Einträge im Gedenkbuch beim Bundesarchiv
Berg, Elias ter
* 28. August 1888 in Ritterhude
wohnhaft in Bremen
Deportation: ab Hamburg 18. November 1941, Minsk, Ghetto
Todesdatum/-ort: 28. Juli 1942, Minsk, Ghetto
Berg, Hartog Isaak ter
* 12. Juli 1886 in Ritterhude
wohnhaft in Ritterhude
Deportation: ab Hamburg 18. November 1941, Minsk, Ghetto
Todesdatum/-ort: für tot erklärt
Berg, Levie ter
* 26. August 1882 in Ritterhude
wohnhaft in Wilhelmshaven
Deportation: ab Hamburg 06. Dezember 1941, Riga-Jungfernhof, Außenlager Ghetto Riga
Berg, Paula ter
geb. Wolff
* 02. Juni 1886 in Bedburg
wohnhaft in Ritterhude
Deportation: ab Hamburg 18. November 1941, Minsk Ghetto
Todesdatum/-ort: 28. Juli 1942, Minsk, Ghetto
Berg, Simon Semmi Ter
* 17. Januar 1897 in Ritterhude
wohnhaft in Schönholthausen und Bigge
Inhaftierung: bis 11. Januar 1939, Sachsenhausen, Konzentrationslager
Deportation: ab Bielefeld 02. März 1943, Auschwitz, Vernichtungslager
Zabner, Berta
geb. ter Berg
* 23. Februar 1909 in Sengwarden (Kniphausen)
wohnhaft in Wilhelmshaven
Deportation: ab Berlin 29. Januar 1943, Auschwitz, Vernichtungslager
Auf dem Grabstein in Ritterhude (Jüdischer Friedhof) wird das Geburtjahr von Hartog ter Berg mit dem 1856 angegeben. Zu seinen Kinder könnte auch noch Rebecka verh. Herz gehören, siehe: http://www.online-ofb.de/famreport.php?ofb=juden_nw&ID=I371&nachname=TER%20BERG&modus=&lang=de
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