Im Vergleich zum südöstlichen Ortseingang (vgl. Radweg Heidkampstr.) ist die Einfahrt nach Osterholz-Scharmbeck von Nordwesten für Radfahrer ungleich entspannter. Der Radweg Westerbecker Str. ist -soweit überhaupt vorhanden- zwar bestenfalls von mäßiger Güte, das geringere Verkehrsaufkommen erlaubt aber den meisten Radfahrern ein akzeptables Fortkommen. Entweder auf der Fahrbahn oder abschnittsweise auf dem ‚Radweg ohne Benutzungspflicht‘.
Apropos Radweg: Das eher geruhsame Radeln auf der Westerbecker Str. lädt geradezu ein, ein bisschen über Verkehrsregeln für Radfahrer nachzudenken. Insbesondere über die Frage, wo man als Radfahrer eigentlich fahren darf bzw. muss. Das ist nicht immer so einfach, wie viele Autofahrer und Radler zu denken scheinen. Schauen wir es uns mal der Reihe nach an, begleiten Sie mich doch mal von der Poststraße zum Ortsausgang in Westerbeck:
Start in der Hundestraße
Noch keine 50 m unterwegs, werden wir vom dritten überholenden Autofahrer schon mal angehupt. Vermutlich stören wir ihn auf der Fahrbahn und er sähe uns lieber auf dem … . Ja, was ist das eigentlich da rechts neben der Fahrbahn (Bild vergrößern)?
Radweg oder nicht, manchmal gar nicht so einfach zu beantworten. Fangen wir mal so an: Klar ist die Sache bei einem ‚Benutzungspflichtigen Radweg‘, denn er ist an den einschlägigen Verkehrsschildern (Zeichen 237, 240 oder 241 – das sind die runden blauen Schilder mit einem Fahrrad-Piktogramm) zu erkennen.
Schwieriger ist es bei einem ‚Radweg ohne Benutzungspflicht‘ (früher auch „anderer Radweg“ genannt). Auf diesem darf man mit dem Rad fahren, wenn er auf der rechten Seite verläuft, man muss es aber nicht. Einen solchen Radweg erkennt man daran, dass zwei getrennte Sonderwege neben der Fahrbahn existieren. Dann ist in der Regel der neben der Fahrbahn gelegene ein Radweg und der daneben ein Fußweg. Gibt es nur einen, ist es ein Fußweg. Wie die Trennung der beiden Sonderwege auszusehen hat, ist nirgendwo eindeutig definiert. Von Land zu Land und Stadt zu Stadt gibt es da unterschiedliche Gepflogenheiten, oftmals einen unterschiedlichen Belag, manchmal Trennlinien, manchmal Piktogramme.
Hier in der Hundestraße ist die Sache recht eindeutig: Zwar ist der Sonderweg rechts der Fahrbahn über eine kurze Strecke mit zweierlei Steinen gepflastert, bereits 10 Meter weiter aber gibt es mangels Breite definitiv nur noch einen Streifen … also kein Radweg. Radfahren auf der Fahrbahn ist auf den ersten 500 Metern der Hunde- und Sandbergstraße auch kein allzu großes Problem, wenn die Autofahrer mitspielen. Was auf dieser engen und kurvenreichen Fahrbahn eigentlich nicht allzu viel verlangt ist, weil trotz Steigung die Geschwindigkeitsdifferenz bei Tempo 30 und mehreren Bremsschwellen auf der Fahrbahn noch erträglich ist.
Wesermünder und Westerbecker Straße
Ausgerechnet an der stärksten Steigung und nur 20 Meter vor der stark frequentierten Einmündung von Käthe-Kollwitz-Straße und B74-Auffahrt wird dann die Tempo-30-Begrenzung aufgehoben. Das lässt die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Autos und Radfahrern auf diesen für Radler anstrengendsten Metern schlagartig auf meist über 40 km/h ansteigen.
Das wäre eigentlich das klassische Einsatzgebiet für Schutzstreifen auf der hier auch (endlich) ausreichend breiten Fahrbahn, die sucht man aber vergebens.
Radweg Westerbecker Str.
Hinter dem Autohaus Spreen und der zweiten B74-Auffahrt hat der Radfahrer dann die Wahl zwischen der Fahrbahn und einem fragwürdigen Radweg ohne Benutzungspflicht. Dessen Trennung vom Gehweg ist zum Teil stark verblichen (siehe Foto), müsste aber angesichts der Bordsteinabsenkung an Seitenstraßen als Indiz für einen Radweg ausreichen.
Ab der Zufahrt Am Brande allerdings hat sich selbst diese Andeutung eines Radweges in Luft aufgelöst. Von hier bis zum Ortsausgang ist mit Sicherheit nur noch ein Sonderweg vorhanden. Demzufolge ein Gehweg, auf dem Radfahren nach dem 10. Geburtstag nicht zulässig ist.
Umso verwirrender dieses Schilder-Ensemble, das ich dort im August 2017 anlässlich einer Baustelle auf dem Gehweg vorfand. Die Aufforderung „Radfahrer absteigen“ kann ja nur bedeuten, dass die dafür Verantwortlichen von Radverkehr auf diesem Weg ausgehen. Das zeugt erstens nicht grad von profunder Kenntnis der einschlägigen Radverkehrsvorschriften und veranlasst zweitens unbedarfte Radfahrer mit ähnlicher Sachkenntnis, nach Aufhebung der Baustelle dort wieder munteres Gehwegradeln zu veranstalten. Da darf man sich dann auch nicht wundern, wenn dieselben Radfahrer auf der Bahnhofstraße ängstlich die dortigen Fußwege befahren.
Kommen wir nach diesem kleinen „Schmankerl“ nochmal kurz zur letzten Lektion der hier eingestreuten Radverkehrsregeln, dem ‚Benutzungspflichtigen Radweg‘:
Rückweg
Wie außerhalb geschlossener Ortschaft allgemein üblich, wird der Radverkehr auch hier ab Ortsausgang auf dem in beiden Richtungen benutzungspflichtigen Radweg Westerbecker Str. geführt. Soweit so gut, interessant wird es aber in der Gegenrichtung: Auf diesem Radweg von Norden ankommende Radler wähnen sich womöglich noch kilometerlang auf einem für sie linksseitigen benutzungspflichtigen Radweg. Der wird nämlich nicht explizit aufgehoben. Und ob die Anordnung eines benutzungspflichtigen Radweges automatisch an jeder Einmündung erlischt, dass entsprechende Zeichen 237, 240 oder 241 also eigentlich jedesmal wiederholt werden muss, ist in deutschen Verwaltungen und Gerichten durchaus strittig.
Korrekt aber ist, von Norden kommend an dieser Stichstraßen-Einmündung die Straßenseite zu wechseln und den Weg Richtung Stadtmitte auf der Fahrbahn fortzusetzen. Diese Straßenquerung ist angesichts guter Sichtverhältnisse und überschaubarer Verkehrsdichte hier m. E. auch gut möglich. Der weitere Weg Richtung Innenstadt gestaltet sich im Wesentlichen wie der bereits Beschriebene stadtauswärts: bis Am Brande auf der Fahrbahn, zwischen Am Brande und B74 wahlweise auf der Fahrbahn oder dem auch in dieser Richtung fragwürdigen Radweg ohne Benutzungspflicht. Und ab B74-Zufahrt schließlich wieder auf der Fahrbahn, was bergab in der 30-er-Zone relativ konfliktfrei erscheint.