OHZ gewinnt Zukunftspreis

Es war einmal 2017 …

Osterholz-Scharmbeck gewinnt Zukunftspreis

Niedersächsische Kreisstadt im europäischen Rampenlicht

Brüssel (jh). Die geladenen Vertreter der Kreisstadt am Rande des Teufelsmoores bei Bremen traf es fast unvorbereitet. Erst am Nachmittag der Preisverleihung war durchgesickert, was später von Pressevertretern als Überraschung des Abends gewertet wurde: Osterholz-Scharmbeck ist mit dem erstmals verliehenen Zukunftspreis der Europäischen Union für nachhaltige Stadtentwicklung ausgezeichnet worden und hat sich damit auf der Zielgeraden gegen London, Berlin und Hamburg durchgesetzt.

Die internationale Jury mit Stadtplanern aus sieben europäischen Staaten hat den mit 250.000 Euro dotierten Preis an das 2016 abgeschlossene Projekt Wohnen und Arbeiten am Teich vergeben, weil es „in herausragender Weise zeigt, dass Kommunen bei intelligenter Vernetzung von Bürgern, privaten Investoren und Verwaltungsorganen auch in Zeiten beschränkter finanzieller Ressourcen zukunftsweisende Bauprojekte realisieren können, die ihre Zentren für das Szenario von Demografie und Mobilität in den 2020er-Jahren befähigt.“

EU-Ratspräsident Sleuterdijk hob in seiner Laudatio die vorausschauende Berücksichtigung der Altersstruktur, den Schutz von Natur und Umwelt sowie die Verzahnung von lokalem Gewerbe mit Wohn- und Lebensraum hervor. Osterholz-Scharmbeck sei es gelungen, ein europaweit beachtetes Beispiel sanfter Stadtmodernisierung zu schaffen, das sich im Alltag bewähre und nicht nur ökologisch, sondern auch betriebwirtschaftlich funktioniere.

Bürgermeister Rubbellos aus der 30.000 Einwohner zählenden Kreisstadt im Elbe-Weser-Dreieck lobte bei der Preisverleihung den Ideenreichtum der Beteiligten vor Ort. Er betonte aber auch die „unbürokratische Hilfestellung“ von Seiten der Kommunalverwaltung, ohne die eine Realisierung schwer vorstellbar sei. Das 2014 aus der Not geborene Teichprojekt sei mittlerweile in hohem Maße akzeptiert und habe zu einer spürbaren Verbesserung des Stadtklimas geführt. Eine Erweiterung um ein Nachbargrundstück mit Plänen für zwei weitere Ladengeschäfte sei bereits in Arbeit, das Preisgeld dafür hochwillkommen.

Stadtentwicklung im Genossenschaftsmodell: Das „Teichprojekt“

Osterholz-Scharmbeck im Jahr 2014: Ein Mittelzentrum mit den üblichen Problemen: sinkende Umsätze und Leerstand in der Innenstadt, prognostizierte Überalterung und klamme Stadtsäckel. Ein Investoren-Bauprojekt klassischen Zuschnitts führt zu Bürgerprotesten, weil ein Teil des alten Mühlenteichs für Parkplätze geopfert werden soll. Der Streit um den bis dato fast in Vergessenheit geratenen Teich schafft es bis ins Regionalfernsehen, eine Bürgerversammlung führt letztlich zur Ablehnung des Bauvorhabens. Der gordische Knoten aus Renditestreben und Sanierungszwang auf der einen, Umweltschutz und Förderung der Lebensqualität im Zentrum auf der anderen Seite scheint unauflösbar.

Es war eine konzertierte Aktion von Verwaltung, Politik, einem örtlichen Geldinstitut und zehn Bürgern der Stadt, die das Unvorhergesehene schaffte: Heute strahlt der Teich in lange nicht gekannter Schönheit und daneben steht ein modernes 2½-geschossiges Wohn- und Geschäftshaus.

Kleiner als der ursprünglich geplante Bau lässt es beidseits Raum für einen freien Teichzugang. 15 seniorengerechte Komfortwohnungen sind dort entstanden und ihre Eigentümer teilen sich auch den Besitz an der Hausmeisterwohnung, den Ladengeschäften im Erdgeschoss und einem Fuhrpark mit zwei Elektro-Smarts, einem Hybrid-Kombi und vier Elektro-Fahrrädern. Die Gemeinde hat im Gegenzug eine attraktive Ausgleichsabgabe für fehlende Kfz-Einstellplätze nach § 47 der Niedersächsischen Bauordnung festgesetzt.

Die Geschäftsleute im Erdgeschoss wurden von der Hausgemeinschaft ausgewählt und genießen teilweise Sonderkonditionen deutlich unter marktüblichem Niveau. Sie bieten dafür Optionen auf Sach- oder Dienstleistungen, die von den Wohnungseigentümern nachgefragt werden. Bei Fertigstellung der Immobilie waren die drei Läden an einen ambulanten Pflegedienst, ein Bistrocafé und eine Hausverwaltung fest vergeben, weitere Interessenten stehen bereits auf der Warteliste.

3 Antworten auf „OHZ gewinnt Zukunftspreis“

  1. Auch wenn es vorerst eine schöne Vision ist: Das sollte ein Ansporn sein, nicht nur beim „Teichprojekt“ sondern auch bei anderen, für die Stadt ähnlich bedeutsamen Stadtentwicklungsprojekten neue Wege zu gehen und Bürgerinnen und Bürger nicht nur frühzeitig in die Planung mit einzubeziehen, sondern auch an der Realisierung z.B. in Form von Genossenschaftsmodellen zu beteiligen.

  2. Herzlichen Glückwunsch an Osterholz-Scharmbeck – die sympathische Gartenstadt im Teufelsmoor*!
    Ein Leitbild wurde Wirklichkeit, weil die Motivation der Beteiligten alle erforderlichen Ideen, Energien und Ressourcen freisetzte.
    Hier fühlen wir uns Zuhause.

    Marcus Tscheu, Bürger & Nachbar

    P.S. 2017 könnte etwas knapp werden, aber auf ein paar Monate kommt es nicht an. Und Genosse werden, na ja, warum hierbei nicht.
    *Gewinner Spiel ohne Grenzen 1968

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