Innenstadtsanierung Osterholz-Scharmbeck 1975

Haus am Markt in Osterholz-Scharmbeck
Fluch oder Segen: Haus am Markt
2018 soll das Quartier rund um den Scharmbecker Markt mal wieder zum Sanierungsgebiet werden. Bei den Vorbereitungen kam zur Sprache, dass es schon mal eine Innenstadtsanierung Osterholz-Scharmbeck 1975 bis 1998 gab. Gut zu wissen, denn das Ergebnis dieser „Sanierung“ wurde bereits 1999 mehr als kontrovers beurteilt. Zwischen „gut gemeint“ und „gut gelungen“ klaffen hier teilweise Welten. Beispiel Haus am Markt: In den 1970er-Jahren eines der zentralen Projekte der Innenstadtsanierung, heute eher Problemzone. Dabei war es doch so gut gemeint … Bei näherer Betrachtung der damaligen Pläne und Resultate stößt man schnell auf einige Punkte, die bei einer neuerlichen Sanierung tunlichst besser gehandhabt werden sollten.

Pläne und Versprechungen

1972 beschloss der Stadtrat, sich um Mittel aus der seinerzeit neu eingeführten Städtebauförderung zu bewerben. Mit einiger Verzögerung wurde dann 1975 das Sanierungsgebiet „Scharmbecker Innenstadt“ förmlich festgelegt. Auf einer Einwohnerversammlung im Tivoli wurde von offizieller Seite „hervorgehoben, dass mit der Sanierung die Stadt und deren Bild nicht verändert, sondern ergänzt und verbessert werden solle.“ (Quelle: Osterholzer Kreisblatt 4.6.1975)

Im Juli 1978 erläuterten Stadtplaner der Nileg (Niedersächsische Landesentwicklungsgesellschaft, Vor-Vorgängerin der heutigen GAGFAH) dem Stadtrat die Ziele der Sanierung wie folgt, Titelzeile des Kreisblatt-Artikels zu dieser Sitzung war damals „Alt-Scharmbeck behält ‚Milieu'“:

  • Errichtung eines dreigeschossigen Wohn- und Geschäftshauses östlich des Marktplatzes, um einen lebendigen Ortsmittelpunkt für die gesamte Stadt zu schaffen.
  • Weitgehende Freihaltung von Markt- und Kirchplatz vom Verkehr, um die Einkaufs- und Wohnattraktivität des Zentrums zu erhöhen.
  • Schaffung und Neuordnung von Parkplatzflächen als Ersatz für die Parkplätze auf dem Marktplatz.
  • Ausgestaltung von Markt- und Kirchplatz unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Wochen- und Herbstmarkt, um die Freizeitattraktivität des Kernbereiches zu erhöhen.
  • Einbeziehung des Scharmbecker Baches in die Marktplatzgestaltung, um den stadtgestalterisch und historisch bedeutsamen Wasserlauf aufzuwerten und eine bessere Anbindung des Stadtparks Lindenstraße an das Zentrum zu erreichen.
  • Einbeziehung der Baudenkmale in die Neugestaltung, um das „Milieu“ von Alt-Scharmbeck zu bewahren

Resultate aus Beton

Abgerissen wurden im ca. 15 ha großen Sanierungsgebiet u. a. Marktstr. 1 und Marktstr. 3 (1977), Hinter der Wurth 1 und 2 (1980) sowie nach Enteignung auch Nr. 3 (1981), außerdem das alte Feuerwehrhaus am Schlauchturm (1980), Kattrepel 8 (1980), Marktstr. 7 (1983) und Marktstr. 6 (1985) sowie Bahnhofstr. 92 (1991).

Neben der Verbreiterung der Baustraße (1977) und den neu angelegten Straßen Marktweide (1980) und Hinter der Wurth inkl. Wendehammer (ca. 1982) entstanden u. a.

Kosten

Exkl. der von privater Hand zu errichteten Gebäude wurden 1975 Gesamtkosten für die Sanierungsmaßnahmen in Höhe von 6.5 Mio. Mark veranschlagt. Abgerechnet wurden 1998 schließlich DM 23.7 Mio., von denen 12.8 Mio. aus Städtebauförderungsmitteln, 6.4 Mio. aus dem Stadtsäckel und 4.5 Mio. aus Grundstückverkaufserlösen, Ausgleichsbeiträgen und sonstigen Einnahmen stammten.

Resümee

Mit einer Überschreitung der Kosten auf mehr als das Dreifache gelang es mühelos, sich auf Augenhöhe mit späteren Jahrhundertprojekten wie der Hamburger Elbphilharmonie oder dem Flughafen Berlin-Brandenburg zu platzieren. Aus heutiger Sicht weniger gut gelungen ist die Einlösung vieler Versprechen aus der Planungsphase. Manches mag mit einem Geschmackswandel im Laufe der Jahrzehnte währenden Laufzeit des Sanierungsprojektes gerade noch zu erklären sein, vieles aber scheint ganz einfach dem Rentabilitätsstreben der unverzichtbaren Investoren geschuldet.

Da die Neubauten den späteren Gesamteindruck des Quartiers entscheidend mitbestimmen, liegt hier meiner bescheidenen Meinung nach einer der entscheidenden Knackpunkte auch einer erneuten Sanierung. Wenn die Raumordnung und Fassadengestaltung den (privaten) Bauherren überlassen bleibt, wird auch von den 2017 wieder vollmundigen Plänen im Zweifel wenig übrig bleiben.

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