Die Holtstelle (auch als Haltestelle, Holz Stelle und Holtz Stelle bezeichnet) war eine seenartige Erweiterung der Hamme im Bereich der heutigen Eisenbahnbrücke, die der weitgehend am Ende des 19. Jh. vorgenommenen Hammekorrektur zum Opfer fiel. Ihren Namen verdankt die Holtstelle ihrer jahrhundertlangen Bedeutung als Handels- und Umschlagsplatz für den im Teufelsmoor abgebauten Torf. Von ca. 1770 bis zum Ende des 19. Jh. war sie die „Haltestelle“ der vor Anker liegenden Lastkähne und Bockschiffe zunächst Bremer und dann auch örtlicher Torfhändler.
Um sich die etwa vier Tage lange Fahrt nach Bremen und zurück zu ersparen, gingen viele Moorbauern auf das Angebot dieser Zwischenhändler ein, deren Kähne auf Grund ihres Tiefganges nur bis zur Holtstelle gelangten. Sie ankerten dort und die Bauern gingen mit ihren Torfkähnen längsseits. Ein Bockschiff konnte bis zu 20 Hunt (1 Hunt = hundert Körbe = ca. 12 Kubikmeter) aufnehmen, was der Ladung von bis zu 40 Torfkähnen entsprach. So entstand ein besonders im Herbst stark frequentierter Handelsplatz. Rund um die Holtstelle entwickelte sich ein reger Verkehr, der rasch den Bedarf an Kramläden und Schankgelegenheiten nach sich zog. Den Bedarf deckten zunächst „fliegende“ Händler mit kleinen Booten, 1814 beantragte das Amt Osterholz bei der Stader Regierung die erste Schankkonzession an der Hamme.
Im Laufe der Zeit entstanden im Bereich der Holtstelle drei oder vier Schänken oder Hammehütten, von denen Melchers Hütte und zumindest als Gebäude auch die Hütte Kiautschau noch erhalten sind. Daneben gab es mit Sicherheit eine weitere Hütte an der Beekmündung auf dem sog. Nadelkissen und vermutlich eine weitere am linken Hammeufer etwa in Höhe der heutigen Eisenbahnbrücke. Eine solche ist zumindest 1878 von Lüder Halenbeck in seiner Karte der Region verzeichnet, wenn diese auch hinsichtlich des Standortes von Melchershütte etwas ungenau ausfiel. Melchers nämlich lag immer schon etwas flussabwärts von Semkenfahrt und Kirchdammgraben (in der Karte als Weyerdamm bezeichnet).
Während man den Fluß nun langsam aufwärts fährt, erweitert sich seine dunkelbraune Fluth allmälig und bildet bald ein seeartiges, länglich gestaltetes und reich gegliedertes Becken, welches auf den Specialkarten unserer Gegend als „Holzstelle“ bezeichnet ist, richtiger aber wohl „Holtestelle“ d. i. „Haltestelle“ heißt, weil hier nicht nur ein geringer Zoll („Ankergeld“) von den Schiffen erhoben wurde, sondern auch die bis zu achtzig Last großen Torfschiffe (Böcke und Kähne), die bei gewöhnlichem, etwa 60 cm hohen Wasserstande der oberen Hamme nicht weiter aufwärts gelangen können, zu „halten“ pflegen, um den Torf aufzunehmen, der von den oberhalb der Holtestelle belegenen Moorkolonien in kleineren Fahrzeugen hierher geführt wird. Wie bedeutend der Schiffsverkehr hier überhaupt ist, geht aus der Thatsache hervor, daß im Jahre 1864 – und seitdem hat der Verkehr sich noch wesentlich gesteigert – nicht weniger als 2000 kleinere Moorfahrzeuge mit durchschnittlich je dreißig Jahresreisen die Holtestelle passirten und außerdem noch 11 Böcke von 40-50 Last oder 20 Hunt Torf Tragfähigkeit und 5 Kähne von 15 Last oder 9 Hunt Torf Größe die untere Hamme befuhren, auch jedes dieser größeren Schiffe gleichfalls dreißig Jahresreisen machte.
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Am Ufer der Hamme und Haltestelle erblickt man bald drei einzeln stehende Hütten, die „drei Schenken“, welche fast nur von den mit Torf nach der Unterweser „reisenden“ Moorkolonisten besucht werden und diesen im Herbste bei plötzlich hereinbrechendem Sturm und Regen wohl auch als Zufluchtsstätten dienen.
(Halenbeck L: Eine Fahrt nach dem Weiherberge, Bremen 1878)