Die „Heinsberg-Studie“ ist raus. Sechs Wochen nach dem dortigen Corona-Ausbruch haben der Bonner Virologe Streeck und sein Forscherteam in Gangelt (Landkreis Heinsberg) 600 zufällig aus dem Melderegister ausgewählte Einwohner angeschrieben und gemeinsam mit allen in deren Haushalt lebenden Personen zu einer Studie eingeladen, um Daten über die Infektionshäufigkeit und die Sterblichkeit von SARS-CoV-2 zu erhalten.
Nach vielen Wochen mit Kontaktbeschränkung und Ladenschließungen sprießen in den sozialen Medien derzeit wieder die Hobby-Epidemiologen der „Ist-doch-alles-gar-nicht-so-schlimm“-Fraktion: Covid-19 sei doch eher harmlos, treffe ja fast nur die Alten oder jene mit Vorerkrankungen und sei eh‘ schon so gut wie vorbei. Manche dieser Einlassungen sind offenkundig interessengesteuert, sei es mit Blick auf den eigenen Betrieb, die nächste Wahl oder die erträumte Medienaufmerksamkeit. Manche entspringen auch der Bill-Gates-Impfmafia-dunkle-Mächte-Verschwörungslobby. In den letzten Tagen lese ich solcherlei Oberflächlichkeiten aber auch von Menschen im Bekanntenkreis, denen ich das eigentlich nicht zugetraut hätte. Ich kann nur hoffen, dass dies mangelnder Information geschuldet ist und habe mir deswegen vorgenommen, hier ein wenig behilflich zu sein.
Covid-19 in New York
Eines der Epizentren der Corona-Pandemie war New York City mit seinen gut 8 Mio. Einwohnern. Zwischen dem 21. März und 30. April starben dort mehr als 18.000 Menschen mit nachgewiesener SARS-Cov-2-Infektion, das sind 218 pro 100.000 Einwohner. Wie in anderen Ländern war die Sterblichkeit bei älteren Menschen besonders hoch: 38 % der Toten waren 80 Jahre oder älter, immerhin aber 15 % jünger als 50 Jahre.
Frage 1: Ist Covid-19 also harmlos oder doch eher dramatisch? Frage 2: Ist die Altersverteilung eine Besonderheit von Covid-19?
Bei der Bewertung dieser Zahlen mag einem medizinischen Laien vielleicht ein Vergleich mit einer anderen besser bekannten Krankheit weiterhelfen:
Herzinfarkt in Deutschland
Ich wähle zum Vergleich den akuten Herzinfarkt, weil er gemeinhin als eher gefährlich wahrgenommen wird. In Deutschland sind 2017 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes knapp 50.000 Menschen an einem Herzinfarkt verstorben, das waren 57 pro 100.000 Einwohner.
Die Altersverteilung ist der bei Covid-19 nicht unähnlich, allerdings beträgt der Anteil über 80-Jähriger hier sogar 51 % und jener der unter 50-Jährigen nur 10 %. Mehr als 90 % der Infarktpatienten haben Risikofaktoren, wenn man ein Alter >60 J. dazuzählt.
Resümee
Wenn (pro 100.000 Einw.) in nur sechs Wochen in New York 4-mal so viele Menschen an Covid-19 sterben wie in Deutschland in einem ganzen Jahr am Herzinfarkt, dann ist es ohne Zweifel eine relevante und lebensgefährliche Krankheit.
Weder die Altersverteilung noch das Vorhandensein von Risikofaktoren bei den Opfern unterscheidet Covid-19 nennenswert von beispielsweise dem akuten Herzinfarkt.
Bis 1934 Bahnhofstraße 330 oder 392 (eine der beiden Nr. vermutlich falsch, siehe hier)
1901 kauft Friedrich Saade das Haus von Bäckermeister Carl Rinck für 16.000 Mark und verlegte seine Buchdruckerei von der Marktstr. 5 hierher. 1921 machte Friedrich Kück in der Bahnhofstr. 330 (also hier oder in der heutigen Nr. 42) ein Manufaktur-, Modewaren- und Konfektionsgeschäft auf. 1922 gründet Eduard Hamann im Haus der Buchdruckerei Saade (Nr. 392, später 81) seine Zahnarztpraxis, 1923 wurde die Zahnpraxis Kolter Nachf. gegründet.
1925 eröffnete Gotthold Schilling ein Korb- und Kurzwarengeschäft. 1927: Arthur Levy & Co. Credit-Haus zur Lieferung von Garderobe, Wollwaren, Betten, Möbel usw. 1927 übernahm Gotthold Schilling die Buch- und Papierhandlung von Fr. Saade. (Quelle: R. Menkhoff: Chronik von Osterholz-Scharmbeck Band 1, 2004) Die Druckerei übernahm 1927 Wilhelm Schulze. (Quelle: Osterholz-Scharmbecker Heimatbuch 1967, J. Segelken, 1967)
1938 erwarb die Buchdruckerei H. Saade (Rübhoffstr.) auch diese Druckerei von W. Schulze, gab den Standort aber auf. Das Haus erwarb Jes Peter Tönder und richtete hier ein Lebensmittel- und Feinkostgeschäft ein. 1963 übergab Tönder den Laden an Charlotte Schlawatzky. 1967 machte Herbert Arend ein Bekleidungsmagazin auf, 1972 Hermann Scharschuch ein „Farben- und Tapetenmagazin“. (Quelle: Chronik von Osterholz-Scharmbeck Bd. II, R. Meenkhoff, 2009)
Von 1974 bis 1997 „BilderProfi Udo Wolff“, ab 1998 bis ca. 2001 mit neuem Inhaber R. Jäger. (Quelle: pers. Mitteilung) Ca. 2001 bis ca. 2015 Pizza-Bringdienst „Roma“, derzeit (vermutlich seit 2016) Balli Pizza.
Die neuen SmartEKG-Technologien haben in der Fachwelt ziemlichen Aufruhr erzeugt. Am lautesten
An apple a day keeps the doctor away (=Ein Apfel am Tag hält den Doktor fern), das dachte man früher. Für die Smartwatch-Generation gilt scheinbar das Gegenteil und wer sich mit SmartEKG-Technologie beschäftigt, der kommt nicht umhin, sich damit etwas tiefergehend zu beschäftigen. Als Einstieg die folgende Geschichte:
Im Januar 2020 twittert der Youtuber Joel Nelling aka 3D Printing Nerd über sein jüngstes Erlebnis mit der Apple Watch. Von dieser erhielt er gegen 18:00 Uhr eine High heart rate notification, weil sein Puls während Inaktivität auf über 120 pro Minute angestiegen war.
Nelling sucht die Notaufnahme eines Krankenhauses auf, wo er bis 2:00 Uhr nachts untersucht und behandelt wird. Dabei wird keine irreguläre Herzaktivität festgestellt, man führt den hohen Puls auf Stress und Dehydratation zurück, nach Infusion von Flüssigkeit normalisiert er sich.
Soweit, so gut. AppleInsider mit mehr als 488.000 Followern bei Twitter greift die Geschichte am Folgetag auf und reiht sie ein in eine ganze Serie von US-Medienberichten, in denen Patienten ihre Erlebnisse mit der Apple Watch positiv darstellen. (1), (2)
Das derzeit am lautesten propagierte Einsatzgebiet der SmartEKG-Technologien ist das Screening (=Früherkennungsuntersuchung) auf Vorhofflimmern (VHF). Der Gedanke ist verlockend: In Deutschland leben derzeit wahrscheinlich mehr als 500.000 Menschen mit bislang unbemerktem VHF und damit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle. Dieses Risiko kann bei Vielen durch blutverdünnende Medikamente gesenkt werden. Und weil unbemerktes VHF mittels Smartwatch oder anderen Devices (=Geräten) aufgedeckt werden kann, was 2019 einmal mehr in der Apple Heart Study belegt wurde, könnten die neuen Technologien womöglich Hunderttausenden das Schicksal eines Schlaganfalls ersparen. Aber ist das wirklich so? „Screening auf Vorhofflimmern“ weiterlesen
Seit September 2019 ist die Withings Move ECG der Withings France SA (2016-2018 vorübergehend Nokia Health) in Deutschland erhältlich. Es ist die erste analoge Armbanduhr mit Schrittzähler, Höhenmesser und drei integrierten Elektroden zur EKG-Aufzeichnung. Die CR2430 Knopfbatterie soll eine Laufzeit von 12 Monaten haben und leicht auszuwechseln sein. Die Uhr mit CE-Zulassung wird für 129.95 € (38 mm) in schwarz und in weiß angeboten.
Ein 1-Kanal-EKG über 30 Sekunden kann vom Nutzer jederzeit initiiert werde, dieses wird lokal gespeichert und bei der nächsten bestehenden Verbindung (Bluetooth Low Energy) auf iPhone, iPad, iPod touch (iOS 10 oder später) oder ein Android-Smartphone oder -Tablet mit (Android 6 oder später) in die der Health Mate App übertragen. Dort erfolgen Speicherung, EKG-Analyse hinsichtlich Vorhofflimmern und evtl. Weitergabe des EKG.
Im Januar 2020 kündigte Withings France SA (2016-2018 vorübergehend Nokia Health) die Withings ScanWatch mit kombiniertem Herzfrequenz- und SpO2-Sensor, 3 Elektroden, Höhenmesser und einer Akku-Laufzeit von bis zu 30 Tagen an. Sie soll ab dem 2. Quartal 2020 für 249.- € (38 mm) bis 299.- € (42 mm) in schwarz und in weiß erhältlich sein. Die CE- und FDA-Zulassungen stehen noch aus (Stand Jan. 2020).
Die ScanWatch kann Puls und Sauerstoff-Sättigung dauerhaft überwachen und bei Unregelmäßigkeiten eine Nachricht generieren. Ein 1-Kanal-EKG über 30 Sekunden kann vom Nutzer jederzeit initiiert werde, dieses wird auf iPhone, iPad, iPod touch (iOS 12 oder später) oder ein Android-Smartphone oder -Tablet mit (Android 6 oder später) übertragen. Dort erfolgen Speicherung und evtl. Weitergabe des EKG in der Health Mate App.
Sanna T et al.: Cryptogenic Stroke and Underlying Atrial Fibrillation. N Engl J Med (2014) 370:2478-2486
DOI: 10.1056/NEJMoa1313600 „CRYSTAL AF Study“ weiterlesen
Moran PS et al.: Cost-Effectiveness of a National Opportunistic Screening Program for Atrial Fibrillation in Ireland. Value in Health (2016) 19(8) dx.doi.org/10.1016/j.jval.2016.07.007
Hoffmann TC, Del Mar C: Clinicians‘ Expectations of the Benefits and Harms of Treatments, Screening, and Tests: A Systematic Review. JAMA Intern Med (2017) 177(3):407-419. doi: 10.1001/jamainternmed.2016.8254.
Perino AC et al.: Practice Variation in Anticoagulation Prescription and Outcomes After Device- Detected Atrial Fibrillation Insights From the Veterans Health Administration. Circulation (2019) 139:2502–2512.
DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.118.038988
Bei paroxysmalem Vorhofflimmern (VHF) wird das Schlaganfallrisiko nur bei Patienten mit hoher Last an VHF (hier als kumulative Zeit mit VHF an mindestens einem Tag innerhalb von 90 Tagen Überwachungszeit) durch OAK signifikant vermindert (Spalte re.: Hazard Ratio mit 95 %-Konfidenzintervall bei multivariater Regressionsanalyse):
VHF-Last
Anteil in Studie (%)
Anteil mit OAK (%)
Relatives Schlaganfall-Risiko durch OAK (Hazard Ratio)
Alan S et al.: Association of Burden of Atrial Fibrillation With Risk of Ischemic Stroke in Adults With Paroxysmal Atrial Fibrillation. The KP-RHYTHM Study. JAMA Cardiol. 2018;3(7):601-608. doi:10.1001/jamacardio.2018.1176
US-Studie 2011-2016: Die mittels ZioXT ermittelte Flimmerlast (Dauer von VHF oder VoFla in % der 14-tägigen Monitoring-Periode) war bei 1.965 Erwachsenen im Alter von durchschnittlich 69 Jahren mit dem Schlaganfallrisiko korreliert. Das CHADS-VASc-adjustierte Risiko für einen Schlaganfall war bei einer Flimmerlast ≥11.4 % (oberes Tertial) mehr als 3-mal so hoch wie in den anderen Tertialen. Dieses Resultat war über alle demografischen und klinischen Subgruppen konsistent. „KP-RHYTHM Study“ weiterlesen
Chen LY et al.: Atrial Fibrillation Burden: Moving Beyond Atrial Fibrillation as a Binary Entity: A Scientific Statement From the American Heart Association. Circulation (2018) 137(20):e623-e644. doi: 10.1161/CIR.0000000000000568.
Die Flimmerlast kann als längste Episodendauer, Anzahl der Episoden oder als Zeitanteil in Prozent während eines Monitoring-Zeitraumes definiert werden. Die aktuellen Leitlinien unterscheiden bei ihren Empfehlungen nicht zwischen persistierendem oder paroxysmalem Vorhofflimmern oder der Flimmerlast, obgleich jüngere Daten einen Zusammenhang zwischen Flimmerlast und Schlaganfallrisiko nahelegen. Dabei ist unklar, ob das Schlaganfallrisiko mit steigender Flimmerlast kontinuierlich zunimmt oder ob es einen Grenzwert gibt. Sollte es einen Grenzwert geben, so ist dieser nicht definiert. Hohe Flimmerlast ist auch mit einem höheren Risiko für Herzinsuffizienz und einer erhöhten Mortalität verknüpft, nicht aber mit geringerer Lebensqualität. „Flimmerlast und Schlaganfallrisiko“ weiterlesen
ZioXT Patch der Fa. iRhythm Technologies, Inc. ist ein Gerät zur kontinuierlichen Aufzeichnung eines 1-Kanal-EKG über 14 Tage. Es wurde 2015 in den USA eingeführt und ist seit 2018 auch in Großbritannien zugelassen. Die Firma bietet in den USA für ca. 350.- $ ein Leistungspaket aus Patch, Auswertung durch zertifizierte „Cardiac technicians“, Cloud-Speicherung der Daten und Übermittlung an den behandelnden Arzt an.
Vorhofflimmern (VHF) ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen. In Deutschland sind knapp zwei Mio. Menschen betroffen. Vorhofflimmern tritt mit zunehmendem Alter immer häufiger auf, bei Männern öfter als bei Frauen. Es kann dauerhaft (persistierend oder permanent) oder nur ab und zu (paroxysmal) auftreten. Es ist nicht unmittelbar lebensbedrohend und wird von manchen Menschen überhaupt nicht bemerkt. Es kann aber auch erhebliche Beschwerden wie Herzklopfen, Herzrasen, Luftnot, Schwäche, Brustenge und Angstgefühl hervorrufen. In Abhängigkeit von anderen Risikofaktoren kann VHF das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen, dann wird oft eine Behandlung mit Medikamenten zur Blutverdünnung (=Antikoagulation) durchgeführt. „Vorhofflimmern“ weiterlesen
Hald J et al.: Opportunistic screening for atrial fibrillation in a real-life setting in general practice in Denmark-The Atrial Fibrillation Found On Routine Detection (AFFORD) non-interventional study. PLoS One (2017) 12(11):e0188086. doi: 10.1371/journal.pone.0188086.
„Real-Life“-Studie aus Dänemark zum Screening auf Vorhofflimmern (VHF) bei über 65-Jährigen. 970 Patienten wurden mittels Pulspalpation und (bei unregelmäßigem Puls) anschließendem 12-Kanal-EKG untersucht. Unregelmäßiger Puls war bei 4.4 % (65-74 Jahre) bzw. 10.5 % (75-84 Jahre) bzw. 22.9 % (≥85 Jahre) vorhanden, VHF wurde bei 0.83 bzw. 0.54 bzw. 3.39 % bestätigt. Allgemeinmediziner vermuteten bei 13 EKG VHF, welches von Kardiologen bei 10 EKG bestätigt wurde. „AFFORD study“ weiterlesen