Fluch oder Segen?

Die neuen SmartEKG-Technologien haben in der Fachwelt ziemlichen Aufruhr erzeugt. Am lautesten

An apple a day keeps the doctor away (=Ein Apfel am Tag hält den Doktor fern), das dachte man früher. Für die Smartwatch-Generation gilt scheinbar das Gegenteil und wer sich mit SmartEKG-Technologie beschäftigt, der kommt nicht umhin, sich damit etwas tiefergehend zu beschäftigen. Als Einstieg die folgende Geschichte:

Im Januar 2020 twittert der Youtuber Joel Nelling aka 3D Printing Nerd über sein jüngstes Erlebnis mit der Apple Watch. Von dieser erhielt er gegen 18:00 Uhr eine High heart rate notification, weil sein Puls während Inaktivität auf über 120 pro Minute angestiegen war.

Nelling sucht die Notaufnahme eines Krankenhauses auf, wo er bis 2:00 Uhr nachts untersucht und behandelt wird. Dabei wird keine irreguläre Herzaktivität festgestellt, man führt den hohen Puls auf Stress und Dehydratation zurück, nach Infusion von Flüssigkeit normalisiert er sich.

Soweit, so gut. AppleInsider mit mehr als 488.000 Followern bei Twitter greift die Geschichte am Folgetag auf und reiht sie ein in eine ganze Serie von US-Medienberichten, in denen Patienten ihre Erlebnisse mit der Apple Watch positiv darstellen. (1), (2)

Welche Technologien gibt es?

Die verschiedenen SmartEKG-Geräte zur „privaten Herzrhythmus-Analyse“ bedienen sich heute der

  • Photoplethysmographie (PPG) oder des
  • Elektrokardiogramms (EKG) mit 1- oder 6-Kanal-Ableitung.

Beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile, die man für ihre gezielte Anwendung kennen sollte. Erste Geräte wie die Apple Watch (ab Series 4) oder die Withings ScanWatch vereinen bereits beide Technologien in einem Gerät.
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Screening auf Vorhofflimmern

Das derzeit am lautesten propagierte Einsatzgebiet der SmartEKG-Technologien ist das Screening (=Früherkennungsuntersuchung) auf Vorhofflimmern (VHF). Der Gedanke ist verlockend: In Deutschland leben derzeit wahrscheinlich mehr als 500.000 Menschen mit bislang unbemerktem VHF und damit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle. Dieses Risiko kann bei Vielen durch blutverdünnende Medikamente gesenkt werden. Und weil unbemerktes VHF mittels Smartwatch oder anderen Devices (=Geräten) aufgedeckt werden kann, was 2019 einmal mehr in der Apple Heart Study belegt wurde, könnten die neuen Technologien womöglich Hunderttausenden das Schicksal eines Schlaganfalls ersparen. Aber ist das wirklich so?
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Vorhofflimmern

Häufigkeit von Vorhofflimmern
Häufigkeit von Vorhofflimmern (in %) nach Altersgruppen
Vorhofflimmern (VHF) ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen. In Deutschland sind knapp zwei Mio. Menschen betroffen. Vorhofflimmern tritt mit zunehmendem Alter immer häufiger auf, bei Männern öfter als bei Frauen. Es kann dauerhaft (persistierend oder permanent) oder nur ab und zu (paroxysmal) auftreten. Es ist nicht unmittelbar lebensbedrohend und wird von manchen Menschen überhaupt nicht bemerkt. Es kann aber auch erhebliche Beschwerden wie Herzklopfen, Herzrasen, Luftnot, Schwäche, Brustenge und Angstgefühl hervorrufen. In Abhängigkeit von anderen Risikofaktoren kann VHF das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen, dann wird oft eine Behandlung mit Medikamenten zur Blutverdünnung (=Antikoagulation) durchgeführt.
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Bayes-Theorem

Das Bayes-Theorem (auch: Satz von Bayes) behandelt ein eigentlich sehr logisches, im Alltag aber allzu oft vernachlässigtes Phänomen der Statistik. In der Medizin ist das Bayes-Theorem von großer Bedeutung, wenn es um die Wertung von Testergebnissen geht. Nehmen wir als Beispiel den Test mittels Pulsuhr oder Smartwatch, ob Vorhofflimmern vorliegt. Bei einem positiven Testergebnis (=die Pulsuhr meldet Vorhofflimmern) stellt sich für den Anwender naturgemäß die Frage, wie sicher diese Aussage ist. Anders formuliert: wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich Vorhofflimmern habe? Die richtige Antwort lautet …
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