Ich mochte meinen Augen erst nicht trauen: der üble linksseitige Radweg an der Loger Str. vor dem Gymnasium war vorgestern plötzlich keiner mehr! Und -wieder mochte ich es erst nicht fassen- das war noch nicht alles! Eine kurze Recherche in gewöhnlich gut informierten Kreisen förderte fast Unglaubliches zu Tage. Die Radwegbenutzungspflicht ist in Osterholz-Scharmbeck fast überall aufgehoben. Sie verbleibt lediglich in Richtung Buschhausen auf Teilen der Schwaneweder Str., Heidkrug und Heilshorner Str. sowie in Richtung Scharmbeckstotel auf Teilen der Ritterhuder-, Settenbecker- und Hauptstr..
Was heißt das genau?
Ich will mir hier den ganzen Theorie-Krams mal sparen, nachzulesen wäre er bei Interesse hier und da. Fakt ist: Grundsätzlich gehören Radfahrer ab sofort auf die Straße. Es wird in Osterholz-Scharmbeck weiterhin Radwege geben, deren Benutzung Rad fahrenden aber freigestellt ist.
Wohin soll das führen?
Kurz zusammengefasst: Unsere Straßen sollen für alle Verkehrsteilnehmer sicherer gemacht werden. Radfahrer sind auf schlecht angelegten Radwegen stärker gefährdet als auf der Straße, insbesondere an Kreuzungen und auf linksseitigen Radwegen. Diese im letzten Jahrzehnt nicht mehr übersehbare Tatsache hat zu einem Umdenken in der Verkehrsplanung geführt: Weg vom möglichst reibungslos schnellen Autoverkehr hin zum nötigenfalls langsameren Miteinander auf gemeinsam genutzten Straßen, wo Radfahrer besser gesehen werden … und ganz nebenbei auch weniger Fußgänger gefährden.
Was bedeutet das für uns?
Eines mal ganz laut vorweg: Ich halte es schlichtweg für dumm, die Menschheit bei Diskussionen um Verkehrssicherheit und Lebensqualität in unseren Städten in Lager aufspalten zu wollen: Autofahrer gegen Radfahrer gegen Fußgänger … das führt zu Nix und entbehrt auch jeder rationalen Grundlage. Ich zumindest fahre in Osterholz-Scharmbeck Auto, ich fahre hier Rad und ich bin Fußgänger. Darüber hinaus weiß ich, dass es Menschen gibt, die nur zu Fuß gehen, andere, die auf das Auto als Verkehrsmittel angewiesen sind, und wieder andere, die fast ausschließlich mit dem Rad unterwegs sind. Den für alle „bestmöglichen Verkehr“ werden wir ganz sicher nicht erreichen, indem wir die jeweils anderen fortwährend über ihr Fehlverhalten belehren, obwohl wir insgeheim wissen, dass es um die eigene Klientel nicht besser bestellt ist.
Für mich bedeutet die aufgehobene Radwegbenutzungspflicht in erster Linie eine Riesenchance, gemeinsam und mit gegenseitigem Respekt den Verkehr in Osterholz-Scharmbeck sicherer machen und die Lebensqualität im Ort zu verbessern. Im Einzelnen:
Für Autofahrer
- Rechnen sie weiterhin mit Radfahrer auf der Straße. Wie bisher. Wenn Sie überholen wollen, halten Sie mindestens 1.50 m Seitenabstand zum Überholten ein, bei Kindern ggf. mehr. Alles andere kann als zu geringer Abstand gewertet und mit € 30.- geahndet werden. Hupen und Drängeln übrigens kann noch viel teurer werden.
- Seien Sie nett und rechnen Sie zumindest in der ersten Zeit mit „Geister-Radfahrern“ auf ehemals benutzungspflichtigen linksseitigen Radwegen, z. B. an der Loger Str. auf der Seite des Gymnasiums. Wann immer möglich, sollte man sie auf ihr regelwidriges Verhalten freundlich (!) hinweisen, in ihrem eigenen Interesse.
- Wenn Sie auf Seitenstreifen oder am rechten Fahrbahnrand halten und aussteigen wollen, denken Sie an Radfahrer von hinten. Sie sind schlechter zu erkennen als Autos, man muss schon genau schauen.
- Fassen Sie Sich kurz an die eigene Nase, bevor Sie lautstark über andere meckern (Denkanstöße: innerorts sind schon 51 km/h illegal, Handys am Steuer sind absolut verboten, Schulterblick beim Rechtsabbiegen ist unverzichtbar …)
Für Radfahrer
- Nutzen Sie möglichst grundsätzlich die Straße. Sie dürfen Radwege benutzen, wenn sie als „Radwege ohne Benutzungspflicht“ (so die StVO) klar erkennbar sind. Dies ist der Fall, wenn sie mit einem Fahrradpiktogramm oder dem Verkehrszeichen „Radverkehr frei“ gekennzeichnet sind.
- Fahren Sie möglichst weit rechts. „Möglichst weit“ heißt, dass Sie mindestens 30-50 cm Sicherheitsabstand zum Kantstein einhalten und außerhalb des Türöffnungsbereiches geparkter Autos fahren sollten.
- Fahren Sie nicht nebeneinander, wenn Andere dadurch behindert werden könnten.
- Fahren Sie nie auf Fußwegen. Ausnahmen: Zusatzschild „Radverkehr frei“ (mit dem Fahrradsymbol) und Kinder, die unter 10 Jahren Fußwege nutzen dürfen, unter 8 Jahren sogar nutzen müssen.
- Fassen Sie Sich kurz an die eigene Nase, bevor Sie lautstark über andere meckern (Denkanstöße: Radeln auf Gehwegen ohne „Radverkehr frei“-Schild ist strikt verboten, auch übrigens an den Fußgängerampeln von Kreuzungen; Handys dürfen auch beim Radfahren nicht zum chatten benutzt werden, in Fußgängerzonen und auf Gehwegen mit „Radverkehr frei“-Schild haben Fußgänger absoluten Vorrang und dürfen nicht gefährdet werden …)
Für Fußgänger
- Fußwege und Fußgängerzonen „gehören“ Ihnen, seien Sie trotzdem nett und lassen Sie Radfahrer nach Möglichkeit passieren. Wenn Sie von ihnen lautstark, klingelnd oder frech gefährdet werden, weisen Sie sie freundlich (!) auf ihr regelwidriges Verhalten hin.