Klingt vielleicht komisch, Fahrradurlaub in der Großstadt zu machen. Ist aber überaus empfehlenswert, wie wir jetzt finden. Bei unserer ersten längeren Tour in diesem Jahr haben wir viele interessante Facetten der Bundeshauptstadt erlebt, ganz nebenbei hatten wir auch noch riesiges Glück mit dem Wetter. Die erst knapp eingefahrenen neuen Räder haben sich 7 Tage und 476 km lang bestens bewährt. Wir haben das ehemalige West-Berlin auf dem Mauerweg (siehe hier und dort) umrundet. Um auch bei schlechtem Wetter genügend Alternativen zu haben, wählten wir einen zentral gelegenen Standort (dazu nachher mehr), machten uns täglich vom Hotel zu den verschiedenen „Einstiegspunkten“ des Rundweges auf und verließen diesen dann nachmittags wieder gen Berlin-Mitte. Neben den 160 Mauerweg-Kilometern haben wir so ca. 270 km kreuz und quer durch Berlin-West und die Stadtteile Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain zurückgelegt. Am Abreisetag sind wir dann noch bis Rathenow im Havelland gekommen, bevor uns das Wetter zur Bahnfahrt überredete.
Radfahren ist entgegen evtl. Befürchtungen in Berlin fast überall gut möglich und macht streckenweise richtig Spaß. Mag daran liegen, dass ich in den letzten Jahren in keiner Großstadt außer Bremen nennenswerte Strecken mit dem Fahrrad zurückgelegt habe, aber ich war von der Akzeptanz Rad fahrender Verkehrsteilnehmer sogar häufig angenehm überrascht. Besonders in Mitte und den südwestlichen Stadtteilen war das Vorankommen mit dem Rad oftmals eine richtige Freude, weil wir uns ernstgenommen fühlten. Auch an Kreuzungen und Baustellen „verschwanden“ die Radwege oder Fahrradstreifen nicht plötzlich, die Beschilderung war sehr akzeptabel und teilweise radelten wir sogar kilometerlang auf innerstädtischen Fahrradstraßen. Die Autofahrer waren weit überwiegend sehr entspannt im Umgang mit uns Radlern und mehrmals überkam mich angesichts kleiner Gesten der Rücksicht fast so etwas wie Rührung. Auffallend oft übrigens bei Busfahrerinnen und -fahrern im öffentlichen Nahverkehr und mehrmals auch bei Lkw-Fahrern. Danke dafür, Berliner!
Wohnen kann man in Berlin ja mittlerweile in vielen tollen und/oder interessanten Etablissements. Für unsere Zwecke erwies sich das Honigmond Garden in Mitte einmal mehr als ideal. Es liegt sehr zentral im Norden von Berlin-Mitte in unmittelbarer Nachbarschaft des Mauerweges und bietet trotzdem eine idyllische Innenhof-Atmosphäre. Weil das Wetter in Berlin gleich mal ungleich besser war als zu Haus, konnten wir das Frühstück jeden Morgen im mediterran (und ein bisschen japanisch?) gestylten Hotelgarten genießen. Wir hatten uns das Garten-Appartement gegönnt und die die Räder durften gleich nebenan im Wintergarten gut behütet übernachten. Gerne wieder!
Das Essen hat uns – wie üblich auf Radtouren – gut geschmeckt, ganz besonders hier: thailändisch/indonesisch im Goodtime (Mitte), „klassisch traditionell“ im Honigmond (Mitte) sowie italienisch im Ristorante Mario (Friedenau) und Petrocelli (Mitte). Dort sind wir durchweg freundlichen Menschen begegnet. Angenehmes Weltstadt-Feeling übrigens, wenn Promis am Nachbartisch ohne ersichtlichen Aufriss in Ruhe ihren Feierabend verbringen können.
Angucken wollten wir uns eigentlich nichts Besonderes, aber Nieselregen am 2. Nachmittag (der einzige in der ganzen Woche … zu Hause soll es Bindfäden geregnet haben 🙂 ) verleitete uns dann doch zum Besuch der Gedenkstätte Berliner Mauer (sehr informativ, wenn man die Geschichte der Berliner Mauer lückenhaft erinnert wie ich) und des Holocaust-Mahnmals (in meinen Augen bei aller Kritik sehr würdevoll). Ein echtes Highlight war die entspannte Rückfahrt zum Hotel nach abendlichem Menü in Friedenau: zur „blauen Stunde“ durch das nächtliche Berlin zu radeln, vorbei an Siegessäule, Reichstag, Kanzleramt und Spree … das hat schon was!