2. Weltkrieg

Natürlich führte der 2. Weltkrieg auch in Osterholz-Scharmbeck zu bedeutsamen Veränderungen im täglichen Leben, besonders ab 1942. Weil der Landkreis nie bevorzugtes Bombenziel der alliierten Luftstreitkräfte war und bei Kriegsende nicht mehr ernsthaft verteidigt wurde, hielt sich das Ausmaß materieller Schäden zwar in Grenzen, aber fast jede Familie verlor einen oder mehrere ihrer Mitglieder. Mindestens 784 der (im Jahr 1939) 7.337 Einwohner Osterholz-Scharmbecks kamen ums Leben oder wurden dauerhaft vermisst. Im Landkreis war die Situation durch 3-6 Bombenalarme pro Woche, die Abwesenheit der allermeisten arbeitsfähigen männlichen Bewohner und eine zunehmende Verknappung von Lebensmitteln gekennzeichnet. Ab 1942 kamen bis zu 1.200 Zwangs- und Fremdarbeiter hinzu, die allein im Stadtgebiet Osterholz-Scharmbeck mit damals vermutlich weniger als 5.500 „Rest-Einwohnern“ untergebracht waren. Ab Januar 1945 schließlich waren mehr als 4.000 Flüchtlinge aus den Ostgebieten unterzubringen und zu versorgen.

Alliierte Luftangriffe im Landkreis Osterholz und ihre Folgen:

   Fliegeralarme    Sprengbomben    Brandbomben    Tote    Verletzte
1940 149 183 189 7 2
1941 144 361 1758 1
1942 155 259 4194 7 4
1943 186 710 3269 6 5
1944 305 877 2960 2 12
1945 163 136 11 39

(Aus dem Bericht der Kreisverwaltung; Quelle: 1945 Kriegsende und Neubeginn. Eine Serie im Osterholzer Kreisblatt, M. Wilke u. N. Koch, 1996)

Deutsche Soldaten an der deutsch-polnischen Grenze 1939
(Quelle: Wikipedia, nach: Jerzy Piorkowski (1957). Miasto Nieujarzmione, 8, Warszawa: Iskry. no ISBN)

1939

Der ohne formelle Kriegserklärung ausgeführte deutsche Angriff auf Polen am 1.9. und die darauf folgende Kriegserklärung Englands und Frankreichs an Deutschland am 3.9.1939 waren der Beginn des verheerendsten Krieges der Menschheitsgeschichte.

1940

Am 20. Juli 1940 wurde Osterholz-Scharmbeck erstmals Ziel von Bombenangriffen. Englische Fliegerbomben zerstörten das Freibad Am Deich und beschädigten viele Häuser der Umgebung sowie am Bahnhof das Haus Am Bahndamm 8. Am 22. August wurde der Bahnhofsarbeiter Gevert Grotheer bei einem Bombenangriff auf den Bahnhof getötet.

1941

1941 zerstörte eine Bombe das Wohnhaus der Fam. von Oehsen (Bargten 8), Bombensplitter führten zum Auslaufen des Gaswerkgasometers. Am 30.6.1941 wurden die Wohnhäuser von Martin Garbade und Heinrich Wätjen in Pennigbüttel an der Straße nach Scharmbeck zerstört. (Quelle: Chronik von Osterholz-Scharmbeck Bd. II, R. Meenkhoff, 2009)

1942

1942 entstanden Bombenschäden auf dem jüdischen Friedhof, in Heilshorn, an Häusern „Auf dem Kamp“ und „etlichen anderen Gebäuden“. (Quelle: Chronik von Osterholz-Scharmbeck Bd. II, R. Meenkhoff, 2009)

Im Sommer 1942 trafen die ersten 300 von später bis zu 1.200 Zwangsarbeitern und „dienstverpflichteten“ Ausländern ein, die in sog. kriegswichtigen Betrieben und der Landwirtschaft eingesetzt wurden. Während sich ca. 380 Belgier, Franzosen und Holländer in der Stadt frei bewegen durften, waren knapp 500 russischen Männer und Frauen in bewachten Lagern untergebracht. Morgens und abends wurden sie von bewaffneten Polizisten oder Bürgern von den Lagern abgeholt und wieder dorthin begleitet.

„Das waren Männer mit kahlgeschorenen Köpfen, abgerissener Kleidung und Holzpantinen, oft an bloßen Füßen. Abends kamen sie die Bahnhofstraße herauf, begleitet vom Wachpersonal mit geschultertem Gewehr: den Polizeiwachtmeistern Karl Leimbrock, August Stützing oder „nicht kriegsverwendungsfähigen“ Bürgern der Stadt. Dann hörte man das Geklapper ihrer Holzpantinen auf dem Blaubasaltpflaster. Müde, erschöpft, mit schleppendem Schritt -fast wie der Gefangenenchor aus „Nabucco“ oder „Fidelio“- zogen sie an uns vorbei, mitten durch die Stadt, hin zu den Lagerschuppen der alten Baufirma Steeneck & Mevius.“ (Ernstheinrich Meyer-Stiens in „1945 Kriegsende und Neubeginn“. Eine Serie im Osterholzer Kreisblatt, M. Wilke u. N. Koch, 1996)

Bei den Drettman-Werken waren bis zu 543 Ausländer beschäftigt, darunter 285 Russen, 122 Tschecheslowaken, 66 Holländer, 32 Franzosen und 35 Belgier. Die meisten waren in einem Lager an der Bremer Straße (Standort) untergebracht, das 1942 eilendst errichtet worden war. Weitere kleinere Lager befanden sich direkt am Werk (gegenüber der Einmündung der Osternheide, Standort) und daran angrenzend innerhalb des Werkzaunes sowie in der Lindenstraße neben dem Rathaus in alten Lagerschuppen des Bauunternehmens Steeneck & Mevius. Weitere 271 Ausländer arbeiteten für ein Bauunternehmen in Osterholz-Scharmbeck, 78 im „Dauermilchwerk Theile“ in der Loger Straße, 40 im Monolanwerk Schiemann in der Ladestraße und 50 Holländer in den Osterholzer Reiswerken.

Ab Mitte 1942 häuften sich die Bombenangriffe auf Bremen, was einerseits von vielen Osterholz-Scharmbeckern als nächtlicher Feuerschein wahrgenommen wurde, andererseits auch zu einem Zuwachs der Bevölkerung durch die Aufnahme ausgebombter Kinder und Familien führte. Auf diesem Weg gelangte 1943 auch der spätere Bremer Bürgermeister Henning Scherf zu Verwandten in die Kreisstadt.

1943

Das Jahr 1943 markierte eine deutliche Wende im Kriegsverlauf: Im Osten die Gegenoffensive der Sowjets mit der deutschen Niederlage bei Stalingrad Anfang 43, in Afrika die deutsche Kapitulation im Mai 43, an der Heimatfront die sich abzeichnende Lufthoheit der Alliierten, die ihre Bombenangriffe jetzt auch bei Tage flogen und wie Ende Juli 43 in Hamburg („Feuersturm“) halbe Großstädte in Schutt und Asche legten. Die Zeichen für eine bevorstehende deutsche Niederlage wurden eigentlich unübersehbar, auch wenn vermutlich die meisten Deutschen in Folge der NS-Propaganda dies nicht wahrnehmen konnten oder wollten.

Am 22.9.43 stürzte ein abgeschossener Lancaster-Bomber in Lintel zwischen den Gasthöfen Armbrust und Jacobs (später Ritterhuder Str. 78 bzw. 66, etwa am späteren Standort der Diskothek Star Ship) ab. Das Flugzeug und seine explodierende Bombenlast rissen einen Krater von knapp 20 m Durchmesser in die Papesche Weide. Die Höfe Pape, Hermann Jacobs und Georg Michaelis sowie die Scheune von Hermann Wellbrock und die Gastwirtschaft Jacobs brannten ab. Acht kanadische Flieger kamen ums Leben, die Leiche des Achten wurde erst nach einer Woche gefunden. Der Architekt Dahl, der in einer Holzhütte unmittelbar am Absturzort Schutz gesucht hatte, wurde schwer und zwei weitere Linteler leicht verletzt. (Quelle: 1945 Kriegsende und Neubeginn. Eine Serie im Osterholzer Kreisblatt, M. Wilke u. N. Koch, 1996)

1943 wurde unter dem Scharmbecker Marktplatz ein Luftschutzbunker gebaut, weiterere Bunker (Baujahr unbekannt) entstanden an den Schulen im Ort, u. a. unterhalb der Menckeschule. Am 20.12.43 stürzten zwei amerikanische Bomber am Tinzenberg und nahe Westerbeck ab. 13 tote Besatzungsmitglieder wurden von einem Kommando des Fliegerhorstes Wesermünde geborgen, zwei verletzte Amerikaner in das Vegesacker Lazarett gebracht.

1944

1944 wurden der Bahnhof und seine Umgebung wiederholt durch Fliegerbomben beschädigt.

1945

Ende Januar erreichte der erste von drei großen Flüchtlingstransporten aus Ost- und Westpreußen, Pommern und Berlin die Kreisstadt. Die insgesamt über 4.000 Flüchtlinge wurden in der Kantine der Reiswerke verpflegt, für viele von ihnen die erste warme Mahlzeit nach Tagen. Fast alle Wohnungen und Häuser werden mit zusätzlichen Flüchtlingen belegt, die Einwohnerzahl stieg sprunghaft von ca. 7.000 auf mehr als 11.000.

Am 23. April 1945 kamen bei einem Bombenangriff auf die Drettmann-Werke drei Beschäftigte aus Osterholz-Scharmbeck ums Leben, viele wurden verletzt. Am 26. April sprengten deutsche Soldaten die Brücke bei Tietjens Hütte vor den bereits in Bremen stehenden Briten. Am 28. April, zwei Tage vor Hitlers Selbstmord und zwei Wochen vor Kriegsende, wurde der 17-jährige Soldat Kurt Albrecht in Buschhausen wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt und noch am gleichen Tag von einem 10-köpfigen Exekutionskommando auf dem Scharmbecker Schützenhof erschossen.

Am 7. Mai rückten die ersten Panzer des schottischen Eliteregiments King’s Owen Scotch Borderers in Osterholz-Scharmbeck ein. Die Briten verhängten bis zum 9. Mai Ausgangsverbot, danach wurde der Ausgang auf die Zeit von 10-11:00 und 15-16:00 Uhr beschränkt. Am 8. Mai kapitulierte die deutsche Reichsregierung.
(Quelle: Chronik von Osterholz-Scharmbeck Bd. II, R. Meenkhoff, 2009)

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