Siegmund Cohen (geb. 19. März 1871, gest. 20.11.1939) und seine Frau Clara Cohen (geb. Assenheimer, geb. 28.05.1871 in Ottersberg / Achim, gest. 28.07.1942) waren Anfang des 20. Jh. etablierte Geschäftsleute in Osterholz-Scharmbeck, die im Nationalsozialismus entrechtet und umgebracht wurden.
Siegmund wurde zur Blütezeit der hiesigen jüdischen Gemeinde als sechstes Kind der Eheleute Meyer Cohen (1828-1900) und Elise Cohen (geb. Hattendorf, 1836-1921) geboren, vier seiner Geschwister starben im Kindesalter. Er wuchs in Osterholz im Haus seiner Eltern in der Hohetorstraße (heute Nr. 14) auf, wo sein Vater ein Manufakturgeschäft unterhielt.
Das väterliche Geschäft ging an seinen ältesten Bruder Alfred Cohen (1864-1942), Siegmund übernahm 1897 oder 1898 am Bahnhof (später Bahnhofstraße 37) das Manufaktur-, Kurz- und Weißwarengeschäft von Johannes Ehlen (Fa. H. J. Ehlen). 1901 oder 1902 erwarb er das Gebäude vom Inhaber des Bahnhofshotels für 12.500 Mark und ließ von der Fa. Torbohm einen geräumigen Neubau errichten. Während des 1. Weltkrieges war Siegmund Aufsichts-Unteroffizier für den Kreis Osterholz, sein Bruder Dr. Richard Cohen diente als Sanitätsrat an der Front und wurde mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet.
Clara und Siegmund hatten zwei Kinder: Erich (*1900) übernahm 1932 die Immobilie in der Bahnhofstraße und wanderte 1933 nach Johannesburg in Südafrika aus. Hanny (*1905) blieb zunächst bei den Eltern.
Der seit 1933 von den Nationalsozialisten organisierte, u. a. mit Plakaten und uniformierten Wachen vor den Geschäften durchgesetzte Boykott jüdischer Geschäfte führte zum Konkurs des Geschäftes in der Bahnhofstraße mit anschließender Zwangsversteigerung im Oktober 1934. Clara und Siegmund mussten mit Tochter Hanni in eine Mietwohnung in der Lindenstraße 6 bei Alfred Schmarr (Eigentümer Goldschmidt) ziehen, Hanni betrieb in einem gemieteten Raum in der Bahnhofstraße 34 noch bis 1938 einen kleinen Manufakturladen.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 (sog. Reichspogromnacht) drangen SA-Männer nach der vereitelten Brandstiftung an der ehemaligen Synagoge auch in die Wohnung der Cohens in der Lindenstraße ein und misshandelten den 67-jährigen Siegmund so schwer, dass er sich danach nicht mehr erheben konnte. Von den Verletzungen erholte er sich nicht, so dass die Behörden bereits im Sommer 1939 auf die Umsiedlung in eines der sog. „Judenhäuser“ verzichtete, da mit seinem baldigen Tod gerechnet wurde. Siegmund verstarb schließlich am 20. November 1939 an den Folgen der Verletzungen aus der Pogromnacht, nachdem die Polizei zuvor noch am 23. September bei ihm einen „Volksempfänger“ beschlagnahmte, dessen Besitz Juden fortan verboten war. Am 23. November wurde Siegmund auf dem im Jahr zuvor von der SA verwüsteten Jüdischen Friedhof beigesetzt. Seine Grabstelle ist nicht bekannt, ein Grabstein wurde nicht gesetzt.
Clara wurde 1940 mit Tochter Hanny in ein Bremer „Judenhaus“ in der Elsässer Str. 114 in Schwachhausen umgesiedelt. Am 17. November 1941 wurden sie mit 568 ihrer Leidensgenossen (440 aus Bremen und 130 aus dem Regierungsbezirk Stade) am Lloydbahnhof zusammengetrieben und über Hamburg, wo weitere 407 Juden aus Hamburg und Umgebung mitgenommen wurden, nach Minsk verfrachtet. Dort kamen sie am 23. November an, ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt. Sie kamen entweder bereits im ersten Winter im Ghetto von Minsk oder 1942 im Rahmen der Massentötungen durch Vergasen oder Erschießen ums Leben.
Eintrag im Gedenkbuch Bundesarchiv:
Cohen, Clara Klara
geb. Assenheimer
* 28. Mai 1871 in Ottersberg
wohnhaft in Osterholz-ScharmbeckDeportation:
ab Hamburg
18. November 1941, Minsk, GhettoTodesdatum:
28. Juli 1942, Minsk, Ghetto
Volkszählung 17.05.1939:
Siegmund Cohen, Lindenstr. 6, Osterholz-Scharmbeck (ID-Nr VZ275451)
Clara Cohen, geb. Assenheimer, Lindenstr. 6, Osterholz-Scharmbeck (ID-Nr VZ275452)